Der Stifter Hans Soldan
Hans Soldan nahm bereits in seiner frühen Anwaltstätigkeit seinen Beruf sehr ernst. Er setzte sich stets in vorbildlicher Weise für seine Klientel ein, wobei ihm sein reiches juristisches Wissen, seine sprachliche Begabung – unter den Zeitgenossen galt er als Meister der Sprache in Wort und Schrift – und nicht zuletzt seine liebenswürdige Persönlichkeit zugute kamen.
Hans Soldan war sein ganzes Leben lang von der Philosophie Immanuel Kants durchdrungen, eine Tatsache, die wichtige Aufschlüsse über die Motive seines späteren fruchtbaren Schaffens für die Anwaltschaft gibt.
Im Jahr 1908 übernahm Hans Soldan in Mainz von RA Justizrat Kolsen, Berlin, die von diesem 1904 gegründete Deutsche Rechtsanwalts-Zeitung (DRAZ). Soldan hatte bereits zuvor in der DRAZ, die im Rahmen der Diskussion für eine Zwangsruhegehaltskasse ins Leben gerufen worden war, veröffentlicht. Die Zeitung öffnete sich auch anderen Standesfragen und wurde unter Soldans Leitung zu einem kritischen und auch kämpferischen Forum, bis sie 1923 in Folge der Inflation eingestellt werden musste.
Der Aufbau des Wirtschaftlichen Verbandes Deutscher Rechtsanwälte
Im Rahmen seiner regen publizistischen Tätigkeit rief Soldan zu umfassenden Maßnahmen auf, die der wirtschaftlichen Verschlechterung und einem weiteren Absinken des Sozialprestiges des Berufsstandes entgegenwirken sollten. Hans Soldan wollte aber mehr: Er forderte ein umfassendes Sofortprogramm zur wirtschaftlichen Selbsthilfe der Anwaltschaft, und zwar den gemeinsamen Einkauf aller Kanzleibedürfnisse, unter Ausschaltung des Zwischenhandels, also preisgünstig.
Im Jahr 1908 begann Hans Soldan seine Pläne zu verwirklichen und baute das Unternehmen, zunächst unter der Bezeichnung „Wirtschaftliche Vereinigung“, auf. Noch im selben Jahr wurde hieraus der „Wirtschaftliche Verband Deutscher Rechtsanwälte“, der später in Hans Soldan Stiftung umbenannt wurde.
Von seiner Mainzer Kanzlei aus führte Hans Soldan die Geschäfte. Er schloss alle erforderlichen Lieferverträge und übernahm für deren Erfüllung die persönliche Haftung. Ein großer Bekanntheitsgrad wurde über die DRAZ erreicht und er erhielt aus allen Teilen des Kaiserreiches begeisterte Zustimmung. Zunächst halfen ihm seine Kanzleimitarbeiter bei den Aufgaben. Hans Soldan unternahm zahlreiche Reisen für den Verband, um in Vorträgen bei örtlichen Vereinen für seine Ziele zu werben. Hierbei erfuhr er große Anerkennung und konnte mit Freude registrieren, dass sich größere Unterabteilungen des Wirtschaftlichen Verbandes in verschiedenen Städten und Regionen bildeten.
1908 wurde von der Hans Soldan Stiftung als Gründungsjahr ihrer Geschichte festgelegt, da kein Unterschied zwischen dem „Wirtschaftlichen Verband deutsche Rechtsanwälte“ und ihrer späteren Unternehmensform gemacht wurde und wird.
Das Statistische Amt (1909)
1909 fasste Hans Soldan den Plan, als erste Standeseinrichtung des Wirtschaftlichen Verbandes ein Statistisches Amt zu gründen, das der Anwaltschaft, nach exakt wissenschaftlichen Methoden gewonnene Daten zur Verfügung stellen sollte. Wenig aufwendige Projekte konnten sofort verwirklicht werden, z.B. die Herausgabe des Formularbuchs mit Anmerkungen, das 1910 gleichzeitig mit der Novelle zur Zivilprozessordnung erschien. Dies konnte deshalb geschehen, da an dem Entwurf des Formularbuches bereits von der Bekanntgabe der Gesetzesnovelle an gearbeitet wurde. Das Buch wurde in der Anwaltschaft begeistert aufgenommen.
Das Warenangebot des Wirtschaftlichen Verbandes wurde ausgebaut und die Preisvorteile wurden von den Abnehmern als äußert lukrativ gewürdigt (eine Robe kostete im Warenhaus etwas 60 Reichsmark – der Wirtschaftliche Verband lieferte sie für 32 Reichsmark).
1909 wurde Hans Soldan auch in den Vorstand des Deutschen Anwaltvereins gewählt. Eine Provokation war die Wahl wegen seiner wirtschaftlich ausgerichteten Pläne.
Die Treuhandgesellschaft deutscher Rechtsanwälte (1911/1914)
1911 unterbreitete Soldan dem Anwaltverein den Vorschlag, eine Treuhandgesellschaft deutscher Rechtsanwälte zu gründen. Auf sein Betreiben hin wurde ein Ausschuss für Treuhandangelegenheiten eingesetzt, in dessen Absicht die Ausweitung der außergerichtlichen anwaltschaftlichen Tätigkeit nach dem englischen Vorbild des trustee, der als Einzelberater, persönlicher Treuhänder und Vermögensverwalter ein reges Betätigungsfeld fand.
Nach mehreren Beratungen lehnte der Ausschuss des DAV 1914 Soldans Vorschläge ab. Daraufhin erließ Soldan einen Aufruf zur selbständigen Gründung der „Treuhand deutscher Rechtsanwälte“. Das Unternehmen begann mit einem überraschenden Erfolg, fiel jedoch später der Entwicklung im Krieg zum Opfer. Dennoch war Soldans Einfluss auf diesem Gebiet von großer Bedeutung: seine Ideen wurden noch in den späten Jahren der Republik aufgegriffen und weiterentwickelt.
Die Wissenschaftliche Hilfsstelle (1912)
1912 schuf Soldan die Wissenschaftliche Hilfsstelle Deutscher Rechtsanwälte. Eine Standeseinrichtung von außerordentlicher Bedeutung. Bereits vor der Gründung erhielt Soldan eine Flut von Anfragen und Hilferufen, die Ausdruck des großen Vertrauens waren, das man ihm entgegenbrachte.
Die Wissenschaftliche Hilfsstelle beschränkte sich keineswegs auf die Erstellung juristischer Gutachen. Insbesondere in der ersten Zeit wurde sie auch bei Treuhandgeschäften und in kaufmännischen Problemlagen in Anspruch genommen. Somit bestand ein unmittelbarer Zusammenhang mit den einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen Überlegungen Soldans zur Ausweitung der anwaltlichen Tätigkeit durch Übernahme der Treuhanddienste. Der Einfluss des Krieges zerstörte auch hier manche wichtige Aufbauarbeit.
Erst 1924 konnte man an die Errungenschaften der ersten Jahre wieder anknüpfen. Von Anbeginn waren Spezialisten des in- und ausländischen Rechts in der wissenschaftlichen Hilfsstelle tätig gewesen. Im Verlauf ihres Ausbaus unterhielt die Wissenschaftliche Hilfsstelle weltweite Beziehungen zu allen fünf Kontinenten.
Die Zeit bis 1929
Nach Ausbruch des Krieges war ein rapider Rückgang des Versandgeschäftes zu verzeichnen, aber auch weitere wichtige Ideen waren nicht mehr durchzusetzen, andere im Aufbau begriffene Programme wurden für immer zerstört.
1914 hatten die Kriegsverhältnisse den wirtschaftlichen Verband nachhaltig beeinträchtigt, aber durch die Auswirkungen der Inflation wäre er fast hinweggefegt worden. Die DRAZ musste eingestellt werden.
Soldan, der keine politischen Mandate innehatte, musste 1923 auf Befehl der Franzosen das Rheinland verlassen. Er ging nach Leipzig, wo er seine Zulassung als Reichsgerichtsanwalt erhielt. Dort versuchte er auch mit dem Einsatz seines persönlichen Vermögens, die Geschäfte des Wirtschaftlichen Verbandes wieder in Gang zu bringen. In Leipzig lernte Hans Soldan Ernst Nagel, den Geschäftsführer des Berliner Anwaltsvereins, kennen – einen außerordentlich befähigten und dynamischen Selfmademan, den er 1924 als Geschäftsführer des Wirtschaftlichen Verbandes einsetzte. Nagel übernahm das Management. Er bot selbst in den Räumen der Berliner Gerichte Formulare zum Verkauf an, verwirklichte aber auch weiterreichende Pläne – so wurde der erste Außendienstmitarbeiter des Wirtschaftlichen Verbandes eingesetellt.
Es wurden Zweigstellen in Dresden, Leipzig und Stettin gegründet. Hauptsitz war nach wie vor Leipzig, von Berlin gingen immer mehr die administrativen Fäden aus.
Gründung der Hans-Soldan-Stiftung (1929)
Am 22. März 1929, seinem 59. Geburtstag, gründete Hans Soldan die Stiftung. Er hatte schon lange den Gedanken erwogen, das Unternehmen in eine selbständige juristische Person umzuwandeln. Diese sollte fortführen und auf Dauer am Leben erhalten, was er selbst in ferner Zukunft nicht mehr werde weiterführen können. Aber er wollte in der Verantwortung bleiben. Er war der Vorstand, der die Entscheidungen über die wesentlichen Zwecke der Stiftung fest in der Hand behalten sollte.
Zum ersten Aufsichtsratsvorsitzenden der Stiftung wurde der Reichsgerichtsrat Dr. Erich Brodmann ernannt. Ein hervorragender Kenner des Rechts der Handelsgesellschaften, insbesondere des Rechts der GmbH und der AG. Seit 1924 hatte Brodmann wesentlichen Anteil am Wiederaufbau der Wissenschaftlichen Hilfsstelle. In seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender beschränkte er sich nicht nur auf die Überprüfung der Buchhaltung und Bilanzen, sondern fand sich zudem stets und gern zur Mitarbeit in allen wesentlichen Stiftungsfragen bereit.
Die Mitarbeiter blieben in gleicher Funktion für die Stiftung tätig. Eine weitere Geschäftsstelle in Hamburg sollte noch hinzukommen sowie der kontinuierliche Ausbau von Bezirksvertretungen. Eine „flächendeckende Beratung“ der Kunden war noch nicht möglich. Dies gelang erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die Notare wurden inzwischen mit allen erforderlichen Berufsbedarfsartikeln ausgestattet.
Die weiteren Jahre bis zum Tode des Stifters
Nach 1929 wurde es etwas ruhiger um Hans Soldan, zumindest gilt dies für sein Auftreten und Wirken in der Öffentlichkeit. Die öffentliche Zurückhaltung Soldans zeichnete sich schon seit 1923 ab, seit Aufgabe der DRAZ. Dennoch arbeitete er weiterhin äußerst wirkungsvoll und zielstrebig an den Stiftungsaufgaben weiter.
1931 erfolgte der Erwerb einer eigenen Druckerei. Wichtiger war aber für Hans Soldan, dass in diesem Jahr sein langgehegter Wunsch, die erste „Erholungsstätte Deutscher Rechtsanwälte“ zu eröffnen, in Erfüllung ging. Der Stiftung war es gelungen, das Kurhotel „Juliushall“ in Bad Harzburg in eigener Regie zu übernehmen.
Zuvor, im Februar 1930, gründete Soldans Ehefrau Magdalene, gemeinsam mit anderen Anwaltsehefrauen und Lotti Soldan, der Schwester des Stifters, die „Vereinigung Deutscher Rechtsanwaltsehefrauen“. Ziel der Vereinigung war es, den Stiftungsgedanken „Erholungsheime für die Rechtsanwaltsfamilien“ zu schaffen, zu verfolgen. Erreicht wurden immerhin, verbilligte Aufenthalts- und Verpflegungsmöglichkeiten in ausgewählten Feriengegenden.
Von ganz anderer Qualität und Bedeutung wurde aber dann das Kurhotel „Juliushall“, das bereits im ersten Jahr rund 10.000 Verpflegungstage von Anwälten und ihren Familien verzeichnen konnte. Ein Verkauf des staatlichen Anwesens durch die Stadt Bad Harzburg war nicht möglich, so dass es von der Stiftung gepachtet wurde. Sämtliche Mitarbeiter waren Angestellte der Stiftung. Seitens der Stiftung wurde zudem die Kurtaxe für die Gäste übernommen. Rentabel arbeiten konnte das Kurhotel nicht. Dennoch fasste man im Jahr 1939 den Beschluss, erholungsbedürftige Anwälte kostenlos in das Hotel aufzunehmen. Dazu kam es dann nicht mehr. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Hotel zu „Wehrmachtszwecken“ beschlagnahmt und zu einem großen Lazarett.
1940 starb Hans Soldan. Nachfolger als Vorstand wurde sein Schwiegersohn, Dr. jur. Fritz Trops, der ihn bereits seit 1938 als Vorstandsassistent vertreten hatte.
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